Vampir-Romane (5): 007 meets Vampire

Lesedauer: 6 Minuten

Jennifer Rardin: Ein Vampir ist nicht genug. Ein Jaz-Parks-Roman ()

Vampirromane gab es in der Hochphase diese Genres (zw. 2005 und 2015) in jeder Variante. Die Reihe um die Heldin Jaz Parks kommt auf den ersten Blick als actiongeladener Agententhriller daher, allerdings mit witzig kaschierten psychologischen Einblicken in die tief traumatisierte Seele der Hauptakteurin. Um den Genre-Mix komplett zu machen, ist Jaz die Hilfskillerin eines mächtigen Vampirs, der für den CIA als Liquidator für seine auf Abwege geratenen Artgenossen arbeitet. Klingt wie eine irre Mischung und das ist es auch: Total abgefahren! Und deshalb für mich apart zu lesen.

Gleich vorweg: Von Jennifer Rardins Jaz-Parks-Reihe (2007-2012) sind lediglich die erste drei Bände auf Deutsch erschienen und derzeit nur noch antiquarisch erhältlich (aber das sehr leicht!). Wer englisch liest kann das Vergnügen bis Teil 8 steigern. Leider ist die Autorin 2011 im Alter von 45 Jahren und damit noch vor der Veröffentlichung des abschließenden Bandes verstorben – unerwartet. Ihre einzige Heldin Jaz war sich dessen immer bewusst, „dass im Leben nichts nach Plan läuft. Gar nichts. Niemals“ (76). Es wäre  interessant gewesen, wie Jennifer Rardin ihr Werk fortgesetzt hätte, denn in einem Interview kurz vor ihrem Tod verriet sie, dass sie bereits eine neue Reihe begonnen hat. 

„James Bond meets Dracula“ …

… schreibt die Genre-Kollegin Patrica Briggs (auf der Cover-Rückseite). Tatsächlich ist der altgediente CIA-Killer Vayl 1713 in Rumänien geboren und natürlich ein Vampir, nicht im Dienste seiner Majestät, sondern des amerikanischen Geheimdienstes, aber mit der Lizenz, Vampire zu töten. Obwohl er der beste Auftragskiller der Abteilung ist und neben den Bond-Qualitäten auch magische Fähigkeiten besitzt, verlangt er nach einer Partnerin und Jasmine Elaine Parks, genannt Jaz, fällt diese Aufgabe zu. Nach einem desaströsen Auftrag, von dem wir erst später erfahren, ist die Agentin dermaßen draufgängerisch unterwegs, dass der Chef ihr Todessehnsucht unterstellt. Der reflektierte Vayl verlangt Jaz erst einmal viel Geduld ab und holt sie in der Routine zurück. Doch natürlich bleibt es in dieser Konstellation nicht lange beschaulich. Ein typischer Auftrag – auskundschaften, befragen und liquidieren – entpuppt sich als großes Ding.

Der plastische Chirurg Assan sammelt für wohltätige Zwecke, das Geld fließt jedoch in dunklen Kanälen zu der Extremistengruppe „Söhne des Paradieses“, die einem mystischen Kult (Tor-el-Degan) anhängen und menschenverachtende Anschläge verüben. Die Liquidation des scheinheiligen Arztes soll geräuschlos über die Bühne gehen. Doch bereits in der Phase des Auskundschaftens belauschen die beiden Agenten auf einer Charity-Veranstaltung ein Gespräch über Experimente mit einem Super-Virus, was eine Plan-Änderung verlangt. Die Zeit drängt. Und vermutlich steckt hinter allem der Raptor, „das oberster Angriffsziel“ (31) der Abteilung.

In der weiteren Handlung vermischen sich die beiden Ebenen bunt: Agententhriller und Supernatural, aber der Verständlichkeit wegen will ich sie kurz als zwei Stränge nacherzählen.
Agententhriller: Jaz, eine  kick ass heroine (wie es im englischsprachigen Raum genannt wird), ist äußerst wehrhaft und waffentechnisch bestens ausgestattet, was ihr permanent hilft, denn auf Vayl und Jaz werden mehrere Mordanschläge verübt, obwohl niemand außer der Abteilung ihren Aufenthaltsort und Auftrag kennt. Es muss einen Maulwurf in den eigenen Reihen geben. Ist es die resolute Chefsekretärin oder einer von drei Senatoren im Aufsichstrat? Der Ex-Marine und miserable Vater von Jaz lässt seine Connections spielen und deckt makabre Verbindungen zwischen Politik und Terroristen auf. Doch auch die tote Ex-Frau von Vayl hat sich zu den Terroristen gesellt und mischt ordentlich mit. Den Anschlag mit einem Killervirus, der die Menschheit reduzieren soll und die Weltherrschaft herbeiführen, können die beiden Agenten nur in letzter Sekunde verhindern.
Supernatural
: Jaz riecht seit ihrem traumatischen Erlebnis Vampire und entwickelt einen übersinnlichen Spürsinn, der ihr gegenüber Untoten einen großen Vorteil verschafft. Vayl hat sie nicht zufällig als Partnerin ausgewählt und bittet sie, seine Seelenbeschützerin, seine Avhar, zu werden. Ihre Verbindung vertieft sich weiter, denn Valy muss aufgrund von verdorbenen Vorräten das Blut von Jaz trinken. Als sie bei einer hilfreichen Wahrsagerin plötzlich in Trance verfällt, durchlebt sie ihr verdrängtes Trauma und erfährt, dass sie wie ihr ganzes Team tot war und nur durch eine Lichtgestalt wiedererweckt wurde. „Was willst du, Jasmine?“ fragt die Lichtgestalt – „Kämpfen“ (292). Das ist ihr Wille und der himmlische Auftrag. Sich dessen plötzlich bewusst, steigern sich die übersinnlichen Gaben der Agentin. Der Übermacht ihrer Gegner, die sich aus Magiern, Vampiren und einem seelenfressenden Monster-Dämon (Reaver) zusammensetzt, begegnet sie im Showdown nicht nur als Kick-ass-heroine, sondern mehr noch als Körperlose, die an verschiedenen Orten wie ein Geist agiert und ihre Feinde heftig bluten lässt …

So ein Blödsinn. Hör auf, mich mit diesen Plattitüden aus irgendwelchen Polizeiserien abzuspeisen, du Wichser. Als ob ich nicht merken würde, wenn man mich verarscht. (11)

Können wir uns drauf einigen, dass ich ein Kretin bin und du ein Snob, und dann weitermachen? (23)

Wenn man mich zum Freund hat, braucht man keine Feinde mehr. (191)

Seine Lippen streiften meine Ohrläppchen und wanderten dann zu meiner Kehle. Sanft glitten sie über meine Haut, und er liebkoste mich mit den Spitzen seiner Fangzähne, bis etwas Neues zwischen und entstand, eine Kraft, die zischte und biss und die Luft zum Brodeln brachte. (127)

Großartig, das fehlt mir gerade noch. Nicht nur, dass ich einen Megaterroristen
davon abhalten muss, ein verdammtes Virus zu verbreiten. Jetzt muss ich
auch noch ein psychotisches Wesen aus dem Jenseits mit Heißhungerattacken jagen. (158)

Eine der ersten Lektionen, die ich in der Abwesenheit der schützenden Arme meines Vaters gelernt hatte, war, dass das Leben nicht fair ist. Manchmal sind unschuldige kleine Kinder gestraft mit Vätern, die ständig verschwinden, und mit Müttern, denen viel zu oft die Hand ausrutscht. Und manchmal werden diese Kinder groß und lernen dabei, dass jeder sie irgendwann verlässt, und das ist nie fair. (159)

Psychologie der Heldin

Die 25-jährige Jaz ist definitiv durchgeknallt. Vorwitzig, derb und trotzdem sensibel. Knallhart und ohne Skrupel befördert sie ihre Zielpersonen in Jenseits (kick-ass-heroine), hadert aber ständig mit ihrem Selbstbewusstsein und kümmert sich rührend um ihre schwangere Schwester und ihren Vater, obwohl sie von diesem als Kind verlassen wurde und ihn für einen egoistischen Narzisten hält. Kommt sie in ein neues Hotelzimmer, stellt sie Couch und Stühle unbewusst immer in eine bestimmte Konstellation. Sie trägt ein Kartenspiel bei sich, die sie zur Zerstreuung mischt. Nachts plagen sie finstere Albträume …  Alles Auswirkungen ihres traumatistierten Schuldkomplexes.
Mat, ihr Liebhaber, die Frau ihres Bruders und das ganze Team sind bei einem Einsatz unter ihrem Kommando draufgegangen, was andeutungsweise durch ihre ganze Erzählung schimmert, bis sie die komplette Szene noch einmal durchlebt und auf diese Weise verarbeitet. Wie die Vampire – nur anders – ist Jaz selbst eine Untote und nutzt diese Chance zum übernatürlichen Kampf. Sie wird nicht ruhen, bevor nicht der letzte Vampir vernichtet ist, der ihr Team ausgelöscht hat.

Thriller, Fantasy oder was?

Jaz Parks ist schräg und lässt sich deshalb schlecht einordnen.
Die inneren Monologe der Ich-Erzählerin sind skurril, cool, aber mitunter auch zu gewollt, davon abgesehen, dass ich einige Anspielungen recherchieren musste, um sie zu verstehen. Dennoch ist die Psychologie der Heldin glaubwürdig gezeichnet und geht in Richtung Psychothriller.
Die Weltrettung ist schon etwas zu dick auftragen, aber natürlich gehört dies zu jedem älteren Bond (die neueren begnügen sich mit regionalen Konflikten) und bedient ebenso einen Standard des Agentengenres wie auch die Waffengadgets und ausführlich geschilderte Kampfszenen.
Vampire, Werwölfe, Magier und seelenfressende Dämonen passen in die Fantasy-Schublade. Eher selten sind dort aber intensiv erzählte Nah-Tod- oder Todeserfahrungen und außerköperliche Reisen zu finden.
Ein neues Label also: Esoterik-James-Bond vielleicht …?

Fazit

Die Jaz-Parks-Reihe ist eine sehr nette Abwechslung im Einerlei der Vampir-Romane, aber manchmal auch too much und zu quer.
Es gibt Ähnlichkeiten im Stil zu Jeanine Frosts Cat-and-Bones-Reihe (➛Vampir-Romane (2): Rächer der verlorenen Ehre) wie z.B. die selbstreflektierenden inneren Monologe, die genauso witzig und sympathisch wirken. Aber es gibt deutlich weniger Erotik, was bei Cat-and-Bones durchaus für ein bisschen mehr Würze gesorgt hat.
Wieder verliert der Roman an Tiefe, weil die Bösen nur als leicht durchschaubare Pappkameraden gezeichnet sind und ein korrupter Senator sein Land aus Machtgelüsten in den Untergang stürzen will. Das ist leider weit von einem interessanten politischen Hintergrund entfernt.

JENNIFER RARDIN: Ein Vampir ist nicht genug. Ein Jaz-Parks-Roman, Heyne 2009 (2007, Once Bitten, Twice Shy), übersetzt von Charlotte Lungstrass, 398 Seiten.


Hintergrundinfos:

Die Webseite der Autorin wird von ihren Kindern betrieben, wirkt aber inzwischen ziemlich verwaist.
In dem Interview von LoveVampire enthüllt Jennifer Rardin einige Hintergründe.
Interview von Tez Miller, von Onirik und von Tia Nevitt
Ein Guardian-Artikel über ihr Werk
Die Bücher in der Reihenfolge

Andere Rezensionen …

… gibt es nur auf Portalen wie Lovelybooks und ältere englischsprachige.
 
Literatur interpretiert Literatur
Jede Vampir-Reihe setzt ihre eigenen Settings bezüglich der Untoten und spielt mit Erwartungen oder widerspricht ihnen bewusst. Auch die Historikerin und Fantasy-Schriftstellerin Deborah Harkness lässt dies geschickt einfließen:
 

„Sie glauben doch nicht alles, was Sie lesen, oder?“ Wieder hob sich eine dicke schwarze Braue zu einem angedeuteten Fragezeichen.
„Wenn Sie damit meinen, ob ich glaube, dass Sie in Flammen aufgehen, sobald ein Sonnenstrahl Sie trifft, lautet die Antwort nein.“ Vampire verbrannten nicht im Sonnenlicht, und sie hatten auch keine Fangzähne. Beides waren menschliche Mythen. „Aber es ist mir auch noch nie … jemand wie Sie begegnet, der gern Sonnenbäder genommen hätte.“(55)

Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Das meiste von dem, was du über Vampire zu wissen meinst, kannst du getrost vergessen. Es gibt keine mystische Barriere, die sich zwischen mir und einer Jungfrau erhebt.“ (201)

 

Deborah Harkness, Die Seelen der Nacht, blanvalet 2013 (engl. 2011).

2 Antworten

  1. Ich maße mir nicht an, auch nur annähernd soviel von Literatur zu verstehen wie du, ich unterscheide eher zwischen
    *gefällt mir* und *gefällt mir nicht* und das versuche ich dann in Worte zu fassen, mal mehr mal weniger Erfolgreich.
    VSR Vampirschlampen Romane, so nennt eine Freundin von mir diese Art Bücher, in denen sich unscheinbare Mädchen in einen Vampir verknallen und erst durch ihn vom verhuschten, grauen Mäuschen zu einer selbstbewussten Frau wandeln, die aber am Ende doch einen Helden braucht, der sie rettet.
    Ich musste damals Band 4 der Biss Reihe lesen, was heißt musste, das war schon freiwillig, aber meine Tochter, war genau im Alter des Zielpublikums und bevor ich Nein sagte, wollte ich wissen worum es eigentlich geht. Ich war nicht begeistert, um es höflich auszudrücken. Sie hat sie dann gern gelesen, sieht das ganze Konstrukt solcher Bücher mittlerweile aber mehr als kritisch. Dafür bin ich dankbar, denn diese Art Bücher vermittelt ein Frauenbild von dem wir uns eigentlich schon seit den 50iger Jahren verabschieden.

    1. So viele Bücher wie du muss man erst mal rezensiert haben! Da ist die Erfahrung eine riesen Kompetenz und das schlägt in positivem Sinn voll durch bei deinen Rezensionen. Insofern kann ich das Kompliment nur zurückgeben (falls es denn so gemeint war 😉
      Vielen Dank für deinen persönlichen Kommentar (wie kenne uns ja auch inzwischen persönlich)! Ich teile deine Ansicht zu der von dir „VSR“ genannten Gattung und könnte weitere Beispiele anfügen. Aber ich habe bewusst Jennifer Rardins Romanreihe aufgegriffen, weil sie in vielerlei Hinsicht nicht ins Schema passt und deshalb durchaus beachtenswert ist. Im Übrigen zeigt sich, dass der Vampir Vayl die durchgeknallte Agentin mehr braucht als diese ihn … Ein wirklich apart andere Spielart!

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